Anti-Event

Nichts

  • Jahr2019
  • EntstehungModul «Erlebnisdesign» | ZHdK
  • EndproduktEvent
  • TeampartnerCarolina Misztela, Anouk Estermann, Anina Weidmann, Maria Peskina

Die zunehmende Eventisierung ist eine grundlegende Ursache für FOMO (fear of missing out) – die Angst, etwas zu verpassen. Als Reaktion auf diesen Effekt realisierten wir einen Anti-Event, an dem Nichts stattfinden sollte und welcher somit eine Lücke in der Agenda darstellen würde. Sozusagen ein geplantes und organisiertes Nichts. Die Teilnehmer nahmen gemeinsam an Nichts teil und erhielten die Möglichkeit auf einen eventfreien Zeitraum, den sie bewusst, frei und ganz nach eigener aktueller Lust und Laune nutzen konnten. Diese von uns organisierte eventfreie Zeit gab Unerwartetem, Spontanem und Zufällen eine Chance. Zusätzlich bot er einen Raum für Musse, Neues, Entschleunigung, Langeweile, Entspannung, Achtsamkeit und das Nichts tun.

Kommunikation und Promotion

Facebook ist ein wichtiger Eventkalender, den wir als Konzeptgrundlage verwendeten. Wir nutzen die Identifikationselemente der Plattform und kreierten Wortspiele wie

«x nimmt an Nichts teil»
«Sag x Bescheid, ob du an Nichts teilnehmen wirst»
«x hat dich zu «Nichts» eingeladen»
«x interessiert sich für Nichts»

Um die Spannung zu halten und die Leute zu locken wurde die Location auf persönlicherem Weg erst 24h vor dem Event zu kommuniziert. Nutzer die auf «Interessiert» oder «Teilnehmen» gedrückt hatten, erhielten private Messages mit der Anmeldebestätigung sowie die Anreisebeschreibung.

Location

Erwartet hat die Teilnehmer ein leerstehendes Herrenhaus in Kilchberg. Das Haus greift den Zustand der bewussten Abwesenheit auf, da es sich selbst in einer Übergangsphase befindet. Die alten Bewohner sind ausgezogen und der Abriss steht bevor.

In den verschiedenen Räumlichkeiten des Hauses nahmen wir kleine, subtile, nicht immer auf den ersten Moment ersichtliche Interventionen vor, welche dem Teilnehmer zusätzlich die Möglichkeit gaben, mittels Fragen und bewusst gewählten Gegenständen über das Nichts nachzudenken. Wir hatten uns bei den Interventionen für das Stellen von Fragen entschieden, da dieses keine direkte Aufforderung zum Handeln darstellt, sondern die Option offen lässt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen oder nicht. Es war für uns eine grosse Herausforderung den Besuchern dieses sehr reduziert gestaltete Nichts erlebbar zu machen ohne sie in der absoluten Leere stehen zu lassen. Die Grenze(n) zu setzen zwischen Nichts und doch Etwas blieb bis zum Schluss keine einfache Aufgabe.

Um die Wirkung unseres Events zu verstärken, konzipierten wir zusätzliche Elemente wie beispielsweise Eintrittsbändel, welche tatsächliche Events definieren und umrahmen.

Zentraler Teil des finalen Konzepts war der mit Heliumballonen gefüllte Raum. Der Ballon ist mit der Assoziation «Party» die perfekte Metapher. Er bildet in seiner Beschaffenheit quasi eine Hülle um Nichts. Die Ballone befüllten wir später mit unserem Manifest auf Transparentpapier und weiss-silberner Konfetti. Durch das Zerplatzen des gefüllten Ballons mit einer Nadel erhielten die Besucher die Auflösung unseres Konzept.

MANIFEST

Willkommen am, beim, im Nichts. Wie fühlt es sich an? Hörst du noch den Nachhall des platzenden Ballons? Hörst du Nichts? Auch gut. Wir freuen uns, bist du hier.

 

Durch deine Teilnahme an Nichts, erhältst du heute zwischen 20.00 und 22.00 Uhr einen von uns geplanten, eventfreien Zeitraum, sozusagen eine organisierte Lücke in deiner Agenda. Diese zwei Stunden gehören nur dir, du darfst sie füllen womit du willst. Nenne es Verschnaufpause, Luft, Freiheit, eine Lücke, Raum. Das Haus, in welchem du dich befindest, ist das Dazwischen von Ende und Anfang, von Ruhe und Aufregung. Die alten Bewohner sind ausgezogen, Neues kommt erst. Passieren tut hier nichts mehr oder noch nichts. Was bleibt ist das Warten, das Verweilen zwischen Alltag und Ereignis. Gib hier Unerwartetem und Spontanem eine Chance und verschaffe dir ein Gefühl der Musse, der langen Weile, des Nichtstuns. Du bist dabei nicht alleine. Schau dich um und werde dir bewusst, dass das Fehlen ein kollektives ist. Ein Event wäre kein Event, gäbe es nicht solche, die nicht teilnehmen. Der Bändel könnte als Einlass in deine freie Zeit gelten, in deinen leeren Raum. Gib dich den Gerüchen, Geschmäckern, Klängen und Fragen hin, die dir auf deinem Weg durch das Nichts begegnen. Wandere durch das Haus und horche in die Leere. Ist diese wirklich leer oder füllt sie sich gerade mit Gedanken, Sprache, Handlung? Finde es heraus, steh zu deiner Lücke. Vielleicht ist das Nichts auch der Ursprung von Allem?

Reaktionen

Die Teilnehmer haben auf den von uns organisierten eventfreien Zeitraum, das Nichts, unterschiedlich reagiert und diesen gewonnen Zwischenraum unterschiedlich verbracht und genutzt. Da wir als Veranstalterteam selbst nicht anwesend waren, konnten wir nur aus nachträglichen Erzählungen von Besuchern erfahren, wie der Abend verlaufen war. Einige haben sich im Haus umgesehen und sind schnell wieder gegangen, nachdem sie feststellten, dass wirklich nichts Weiteres geschehen wird. Andere genossen es nichts zu müssen und begrüssten die Zeit und Pause, die ihnen geschenkt wurden, um im Haus zu verweilen, sich zu entspannen, mit anderen Besuchern zu unterhalten und/oder das Geschehen zu beobachten.

Es gab Teilnehmer, die bis zum Schluss blieben und bis zum Ende glaubten, dass doch noch etwas geschehen würde. Da keine Unterhaltung geboten war, begannen Personen selber mittels kleinen Tanzeinlagen, Performances oder Meditationssessions andere Teilnehmer zu unterhalten. Ein paar Besucher starteten eine Suchaktion nach den Veranstaltern des Events, wieder andere fürchteten sich davor, das leerstehende Haus zu betreten.

Also, uf jede Fall ischs wider mine Erwartige gsi 😛 Es isch ja au schwierig gsi, irgendwelchi Erwartige zha, wemmer vo eus gar nüt erfahre het, was uf ein zuechunt. Ich glaub genau das hets ebe usgmacht. Ich han mich nöd uf öppis bestimmts chöne ihstelle; sprich ich han nöd gwüsst, ob viel oder was für Lüt dete werded sie, ob Musik oder es Theater ufgührt wird.
Len
Wir dachten ihr seid vielleicht in der Küche. Der Vorhang hat sich immer etwas bewegt und wir haben Gekicher gehört. Und dann stand da diese Bierflasche direkt vor der Essensdurchreiche. Wir sind dann davorgestanden und haben auch Bier bestellt, aber keines gekriegt.
Hanni
Ich han denn ufeme Feistersims en alte Atlas gfunde und de ahgluegt: Das han ich scho Ewigkeite nüme gmacht! Genau die Situation het denn bi mir es Aha usglöst; dass eui Installation au de Zweck het, sich wieder mit eppis zbeschäftige, das mer ide Alltagshektik vergisst zmache, obwohl mer das immer eich wieder vorhet zmache. Oft gaht mer ja au anen Ahlass, um eppis bestimmts zunderneh, mer machts eich zum Ziel und zum Zweck. Aber i dem Moment han ich mich gfrögt, was eich de Zweck vo dem Ahlass isch. Und als ich deh nöd gfunde han, han ich genau das gfunde, das isch scho lang han wieder mal wölle mache… Scho komisch! 🙂
Len
Ich wollte lang nicht glauben, dass wirklich Nichts passieren würde. Obwohl ich das Manifest mehrere Male gelesen hatte, passte es nicht in meinen Kopf, dass hier nichts war und sein würde. Erst am nächsten Tag, als ich zuhause nochmals über den Event nachdachte, konnte ich die Idee akzeptieren, an diesem Abend Nichts erlebt zu haben.
Peter
Selina Fässler Portfolio